Romeo und Julia aus dem Irak
ln ihrer Heimat wurde die Verbindung der Sunnitin mit einem Schiiten geschmäht. Als Flüchtlinge in Deutschland fanden beide Zuflucht im christlichen Glauben. ln VEITSBRONN wurde das junge Paar jetzt getauft, gefirmt und getraut.
VON RALF JAKOB
VEITSBRONN – Ein seltenes Ereignis hat die Pfarrgemeinde Heilig Geist gefeiert: Mit der Spende der Sakramente Taufe und Firmung sowie der darauffolgenden kirchlichen Trauung wurde ein irakisches Paar in die
Gemeinde aufgenommen.
Der feierliche Gottesdienst ging mit zahlreichen Gästen und Gemeindemitgliedern und unterstützt vom
Posaunenchor im Hof· der ehemaligen
Mittelschule über die Bühne. Mit der Taufe erhielten die beiden Mittzwanziger die christlichen Namen Daniel und Anna.
Der Werdegang des jungen Paars aus Bagdad entspricht nahezu einer „modernen Romeo-und-Julia-Version“, wie Pfarrer Andreas Müller in seiner Ansprache sagte. Denn nach muslimischem Verständnis ist für einen Schiiten und einer Frau mit sunnitischer Glaubensrichtung eine Liebesverbindung eigentlich nicht möglich.
Selbst die eigene Verwandtschaft tolerierte diese Beziehung anfangs nicht.
Dennoch heirateten die beiden im Jahr 2015 in Bagdad. Unabhängig von einander mussten die Jungvermählten kurz danach um Leib und Leben fürchten: sie, weil einige ihrer Familienmitglieder für die Amerikaner gearbeitet hatten; er, weil er sich weigerte, Mitglied einer schiitischen Miliz zu werden.
Über Schweden nach Franken · Nach geglückter Flucht über das Mittelneer landete die Familie der Braut in Nürnberg und das junge Paar in Schweden, weil dort bereits ein Bruder des Ehemanns lebte. Der Asylantrag der beiden wurde dort abgelehnt. Auf Anregung der Verwandtschaft in Nürnberg näherten sich Anna und Daniel vorsichtig dem christlichen Glauben.
Als ihnen dann konkrete Hilfe in mehreren Notsituationen zuteil wurde, wurde dort die Verbindung zu einer freikirchlichen Geineinschaft konkreter. Aus Angst vor massiven Bedrohungen anderer Muslime wegen genau dieser Annäherung ans Christentum entschlossen sich die beiden Ende 2018, zu ihrer Verwandtschaft nach Franken zu ziehen. Weil Müller auch beauftragter Seelsorger
für Flüchtlinge und Migranten im Süden der Erzdiözese Bamberg ist, kamen die beiden mit ihm in Kontakt.
Um die nach gültigem EU-Recht drohende Abschiebung zurück nach Schweden zu vermeiden und stattdessen ein Asylverfahren in Deutschland beantragen zu können, begab sich das Paar in ein „ungenehmigtes Kirchenasyl“ über 18 Monate nach Oberasbach. Die selbst gewählte Isolation verließen sie fast ausschließlich nur zu gemeinsamen Gottesdienstbesuchen in Veitsbronn.
Müller, der seit einem Jahr auch Seelsorger an der Heilig-Geist-Kirche ist, hat sich in dieser Zeit um die beiden gekümmert und deren Lernbereitschaft stets bewundert. Daniel, so berichtet er, habe eine „tiefe Gläubigkeit‘ und „erstaunliches biblisches Wissen“. Selbst in die Tätigkeit des Messdieners hat sich der Iraker in kurzer Zeit eingearbeitet.
„Heute ist nun endlich der Tag gekommen, auf den die beiden so lange gewartet haben“, sagte Müller. Kurz hintereinander spendete er den beiden das Sakrament der Taufe und der Firmung, bevor er sie als „christliche Eheleute“ unter den Segen Gottes stellte. „Seit vier Jahren ist Jesus euer Begleiter. Seine Zusage steht, dass er es weiterhin bleibt.“
Niemand könne heute sagen, wie lange das Paar noch in der Gegend bleiben dürfe. Derzeit leben die Eheleute in einer Gemeinschaftsunterkunft in Nürnberg. Als Konvertiten besteht für Daniel und Anna eine realistische Chance, dass sie ein Bleiberecht in Deutschland bekommen und nicht zurück in den Irak geschickt werden.
Fest steht allerdings laut Pfarrer Müller: · „In den Herzen der Menschen hier in Veitsbronn werdet ihr immer einen Platz haben.“
Quelle: Fürther Nachrichten vom 11.09.2020